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Allgemein zu Nord-Südverkehr (Antwort)

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Hoi,

Lassen wir mal sämmtlichen Bahnnationalstolz beiseite. Dabei vertehe ich diese Verteiffung auf die Linie Karlsruhe-Basel nicht ganz. Wir leben doch in einem güterverkehrliberalisierten Europa und nur wenige Kilometer westlich dieser Güterhaupttransversale gibt es in Frankreich auch eine Strecke, die wohl wesentlich einfacher auszubauen wäre, da die Bevölkerungsdichte kleiner ist. Zudem könnte man damit sogar den Hafen von Antwerpen direckt an den GBT/LBT anbinden.

Das kann ich dir ganz genau sagen, warum man sich auf die deutsche Seite versteift. Die Cargo-EVU möchten diese europäischen Korridore auch wirklich mit Mehrsystemloks durchgehend befahren, ansonsten könnte man die Übung mit den Korridoren auch gleich wieder abbrechen. Und wenn du jetzt zu einem Lokomotivhersteller gehst und Loks für IT, CH, FR, LUX, BE und NL haben willst, dann wird dir der Hersteller sagen: Kann ich ich nicht liefern. Das Problem ist, dass man auf eine Lok nur vier Stromabnehmer montieren kann, du hier aber fünf bräuchtest. Und wenn dann noch ein Cargo-EVU aus Redundanzgründen von einem Stromabnehmertyp zwei auf dem Dach haben will, kann man es sowieso vergessen.

Als diese Korridore defininiert wurden, musste man auch auf solche technischen Charakteristika Rücksicht nehmen. So kann der Korridor Rotterdam-Genua nun mit D-A-CH-I-NL-Loks durchgehend befahren werden, wofür eben zwingend via Deutschland gefahren werden muss und damit die Rheintalbahn einen entscheidenden Abschnitt darstellt. Auf der anderen Seite stellen komplexere Loks für die Cargo-EVU auch teurere Investitionen dar und diese stehen ja dann auch wieder in Kosten-Konkurrenz zum Strassenverkehr.

Im Moment ist man wenigstens mal dabei, mit ETCS ein durchgehend einheitliches Zugsicherungssystem auf den Korridoren zu installieren. Aber auch das ist eine fast endlose Geschichte. Da braucht man mit einer Vereinheitlichung von Stromsystemen noch gar nicht erst anfangen. Von daher brauchen wir uns noch für sehr lange Zeit die Frage gar nicht erst zu stellen, ob die französische Strecke eine Alternative zur Rheintalbahn sein kann. Aus technischer Sicht ist sie sehr weit entfernt davon, es zu sein, egal wieviele Gleise da liegen mögen.

Was mich vor allem an den Eröffnungsfeierlichkeiten gestört hat, waren die "investigativen" Fragen der SRF-Moderatorinnen und Moderatoren an die deutschen und italienischen Staatsgäste, weshalb man denn im hintertreffen ist mit den Zufahrten. Seien wir mal ehrlich, wir können froh sein, dass diese nicht dieses Jahr fertig werden, sonst würde man mit dem Finger auf uns Zeigen. Denn die Neat ist quasi noch ein Inselbetrieb und die Kapazität eines der Tunnel wird vom Personenverkehr stark reduziert. Nördlich zwischen Art-Goldau und Altdorf, sowie im Süden zwischen Osogna und Camorino hätten wir echte probleme. Auch der 4m-Koridor ist noch nicht fertig und die 3 Minuten Zugfolgezeit im GBT werfen einige Fragen auf.

Aufgrund der praktischen Erfahrungen von NBS und LBT kann man sich ziemlich sicher sein, dass die 3-min-Zugfolgezeiten im Güterverkehr auch erreicht werden können. Die restlichen Ausbauten werden auf Ende 2020 abgeschlossen und Deutschland und Italien sollten ihre Ausbauten auch nicht auf Ende 2016, sondern eben auch auf Ende 2020 abschliessen. Auf dann kann die Gotthardachse die deutliche Kapazitätserhöhung gegenüber heute bereitstellen (fast eine Verdopplung der möglichen Güter-Kapazität gegenüber dem, was heute via Gotthard möglich ist), die ausländischen Anschlussstrecken jedoch noch nicht. Und dass das SRF bei einer solchen Gelegenheit da dann auch mal nachhakt, warum Italien und Deutschland teilweise über 20 Jahre länger brauchen, ist völlig nachvollziehbar.

Man sollte auch bedenken, dass es schlecht wäre, wenn man GBT schon nach 20 Betriebsjahren auslastete. Stellt euch vor man baut ein Jahrhundertprojekt, welches den Nord-Südschienengüterverkehr revolutionieren soll und einige Jahre danach färht man wieder über den Berg, weil es untendurch keine freien Trassen mehr gibt.

Da hätte man noch diverse Optionen. So kann man «Uri Berg lang», also die NBS Erstefld-Goldau, noch nachträglich realisieren. Damit können dann die Personenzüge dieselbe Fahrzeit bei geringeren Geschwindigkeiten durch den GBT erreichen. Dies würde dann wieder zusätzliche Kapazitäten für den Güterverkehr durch den GBT erschaffen. Dies ist in einem solchen Fall tatsächlich so vorgesehen.


Grüsse aus der Ostschweiz.


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