Man kann da auch mehr rein interpretieren, als da ist.
Um es mal ganz deutlich zu sagen: Jede beliebige Stadt in Polen ist für mich nicht weniger polnisch als jede Stadt in einem beliebigen anderen Land weniger zu diesem Land gehört, nur weil ich ein deutschsprachiges Exonym verwende. Es liegt mir absolut fern, hier irgendwelchen Geschichtsrevisionismus verbreiten zu wollen oder die deutsch-polnische Grenze in ihrem heutigen Verlauf in Frage stellen zu wollen. Ich freue mich über die "gute Nachbarschaft", die mittlerweile besteht.
Ich habe, bedingt dadurch, daß mein Arbeitgeber eine große Niederlassung in Polen hat, recht viel mit den (einheimischen) Kollegen dort zu tun, die Kommunikation läuft i.d.R. in englischer Sprache, da dies die einzige "auf beiden Seiten" gesprochene Sprache ist. Die Kollegen dort sprechen (von vereinzelten Ausnahmen abgesehen) kein Deutsch, ich (leider) kein Polnisch. Ich spreche zwar verdammt gut Englisch, aber irgendwie hat meine Erfahrung gezeigt, daß ich ansonsten kein Talent habe, Sprachen zu lernen. Geht einfach nicht mehr rein in meinen Schädel. Aber ich schweife ab... Die polnischen Kollegen haben jedenfalls fast einheitlich darum gebeten, daß wir die in der jewils genutzten Sprache üblichen Exonyme für Ortsnamen nutzen sollen, da es ihnen bei der (meistens falschen) Aussprache und (hin und wieder auch falschen) polnischen Schreibung regelmäßig die Fußnägel hochrollt... ;-)
(Okay, und beim Englisch mancher Kollegen hier rollt es mir auch die Fußnägel auf. *schauder*)
Trotz allem muss ein gewisses historisches Bewusstsein schlicht gepflegt werden. Das Verhältnis von Deutschen und Polen in der jüngsten (!) Geschichte - wir sprechen hier nicht von Ereignissen vor hunderten oder tausenden Jahren, sondern von Ereignissen, die vor deutlich weniger als 100 Jahren stattgefunden haben - ist eben schwerstens belastet, und das liegt wohl deutlich weniger an der polnischen, denn an der deutschen Seite.
Ich will nicht abstreiten, daß unsere Vorfahren (unter anderem) gegenüber Polen und seinen Einwohnern Dinge getan haben, die durch absolut nichts zu entschuldigen sind. Da gibt es definitiv nichts dran zu rütteln. Aber: Der Zweite Weltkrieg ist seit mehr als 70 Jahren vorbei, der Eiserne Vorhang ist auch nicht erst gestern gefallen, und das Verhlätnis zwischen Deutschland und Polen hat sich (zum Glück) doch sehr positiv entwickelt. Und für mich ist es eben auch ein Zeichen der Rückkehr zur Normalität, wenn man Exonyme, die aus einer Zeit von deutlich vor dem 2. Weltkrieg stammen, verwendet. Schau doch als Beispiel mal, wie alt der Name "Danzig" schon ist...
Deutschsprachige Ortsbezeichnungen, die sich erst kurzfristig im Zusammenhang mit Besetzungen und Eroberungen in dieser Zeit ergeben haben, lehne ich übrigens auch ab.
Das bedeutet nun natürlich nicht, dass jeder, der polnische Städte mit deutscher Bezeichnung ausspricht, ein böser Revisionist ist. Ich finde es aber trotzdem bedenklich, wenn man all diese Bedenken mit dem einzigen und alleinigen Praktikabilitätsargument beiseite wischt und dann noch unterschwellig unterstellt, man spiele sich wegen bekannter Bedenken zum Weltverbesser auf. Das ist schlicht: daneben!
Die Deutschen haben im Zweiten Weltkrieg aber nicht nur in Richtung Polen Krieg geführt, aber gerade da machen manche Deutsche besonders viel Wind um Exonyme.
Wenn man sich mal umhören würde, wie viele Menschen in Deutschland noch mit einer latent revisionistischen Position diesbezüglich ausgestattet sind, würde man sich wundern - und vielleicht doch nochmal über den Sinn dieser ganzen Frage nachdenken.
Ich weiß nicht, in welchen Kreisen Du Dich bewegst, aber ich kenne niemanden, der "latent revisionistisch" denkt. Sorry...
Aus eben genannten Gründen passt dann übrigens auch der Monachium-Vergleich nicht so recht, ebenso wenig wie der Peking-Bejing-Vergleich.
Siehe oben.
Man möge schreiben, wie man will - sich aber trotzdem ein paar Gedanken drüber machen. Und vielleicht eine Cola dabei trinken!
Mir Die Gedanken durchaus machende und mit einer Cola mit Dir aufs Wochenende anstoßende Grüße,
der Colaholiker