Schau dir mal die Urteilsbegründung an. Dort wurde mit § 17 EVO in der damals geltenden Fassung argumentiert. Heute hat der einen anderen Inhalt und regelt die Entschädigung (nicht den Schadensersatz) bei Verspätungen im Nahverkehr.
Danke, ich bin des Lesens mächtig. Sofern du es auch bist, hast du ja zur Kenntnis genommen, dass ich ein neueres Urteil begrüßenswert fände.
Das Urteil hat heute daher keinerlei Bedeutung mehr.
Geschichtlich durchaus schon ;-)
Interessant wäre natürlich auch noch ein Blick in die entsprechende Verordnungsbegründung.
Interessant wäre so einiges, u.a. ein Gesetzeskommentar, denn ob die Formulierung "der Reisende [...] hat [...], neben den in der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 genannten Rechten und Ansprüchen die folgenden Rechte:" nun eine abschließende Aufzählung einleitet oder weitere Schadensersatzansprüche offenhält. Auch die Argumentation, die Nicht-Planbarkeit minutengenauer Ankunftszeiten beim Reisen (gerade mit der Bahn) sei dem Bereich des allgemeinen Lebensrisikos zuzurechnen hielte ich für denkbar (aber unattraktiv). Ich vermute mal, ein Beförderungsvertrag mit der Bahn lässt sich nur bedingt als Termingeschäft auffassen, die Transportleistung dürfte recht deutlich im Vordergrund stehen.
Die einige Jahre später eingeführten bzw. novellierten § 17 EVO wie auch VO EG 1371/2007 können durchaus auch als lex specialis gelesen werden, die Haftungen nach den zitierten Paragraphen des BGB eben gerade ausschließen. Wäre § 280 BGB anwendbar, ergäben die Regelungen aus EVO und VO der EG keinerlei Sinn mehr, der Grundsatz lex specialis derogat legi generali ist m.M.n. auch hier anzuwenden.
Nun ja, die VO regelt Entschädigungen, die unabhängig von einem tatsächlich eingetretenen Vermögensschaden sind, hier geht es aber um Schäden.
Das stimmt doch nicht. Die Entschädigung für angefallene Kosten zur Ersatzbeförderung berücksichtigen sehr wohl *tatsächlich* eingetretene Aufwendungen.
Beide Normkomplexe regeln daher ein unterschiedliches Sachgebiet.
Bedingt.
Die lex-specialis-Argumentation halte ich daher für sehr gewagt, da der europäische Gesetzgeber die Rechte der Reisenden stärken wollte und die möglichen Schäden die pauschalen Entschädigungssummen um ein vielfaches übersteigen können.
Die Mehrheit der Reisenden wurde tatsächlich besser gestellt, die möglichen Schäden waren ja bereits zuvor potentiell ebenso hoch wie auch nicht erstattbar. Dem Gesetz zu unterstellen, es habe sein Ziel verfehlt, halte ich für noch sehr viel gewagter. Dass es dem Gesetzgeber um die Schwächung der Rechte der EVU ging, geht aus dem Gesetz bzw. der zugehörigen Präambel nicht hervor. Novellierter § 17 EVO wie auch VO EG 1371/2007 regeln die Entschädigungen eben weitgehend pauschal, während dir für jeden Verspätungsfall ein individueller Rechtsstreit lieber wäre.
An Stellen, an den die VO bzw. deren Anlagen einen eigenen Schadensersatzanspruch begründen, wurde der Rückgriff auf nationales Recht sogar ausdrücklich zugelassen. Dies muss dann erst Recht auch gelten, wenn die betreffende Frage von der VO überhaupt nicht erfasst ist.
Ceterum censeo: Der Streitwillige möge prozessieren!